Indianer von Cleveland
Ich habe derzeit Urlaub – ja, tatsächlich. Es ist mein Jahresurlaub im Jahre 2025 und ich genieße es wie man Urlaub eben genießen kann. Da ist kein Platz für Arbeit, Ärger, Stumpfsinn (mit Einschränkung) oder eine Filmkritik. Doch, ja, ab und zu schreibe ich eine Filmkritik – aber mit Sicherheit nicht um einen Titel von 1989, den ich als junger Mensch damals sehr unterhaltsam fand. Ich erinnere mich an meinen Schulfreund Albert. Mit ihm sah ich „Armee der Finsternis“ – obwohl wir eigentlich für BWL pauken mussten – und zu anderer Zeit eben jenen besagten Film „Die Indianer von Cleveland“. Das habe ich darum so in Erinnerung, da er stets ausgiebig Lachen musste, wenn ich aus dem Film die Figur Cerrano nebst Dialekt zum Besten schmetterte, weil er den scheiß Curveball nicht treffen konnte. Das ist gefühlt in einem anderen Leben gewesen ... keine Frage.
Es gibt Filme, da sprechen wir alle längst synchron. Manche Szenen haben sich so tief eingebrannt, dass sie Teil unseres Alltagsvokabulars geworden sind: Da werden Wassermelonen getragen, Rückkehrer angekündigt und Telefonate ins All getätigt. Wir vergleichen das Leben mit einer Schachtel Pralinen, stellen fest, dass man eben doch nur Groot sein kann, blockieren mit ausgestrecktem Stab ganze Brücken vor alten Kreaturen, rufen ‚Wakanda für immer!‘ – und irgendwann verrät einem der eigene Vater auch noch ein entscheidendes Familiengeheimnis. Wer Kino liebt, erkennt diese Zitate sofort. Und mal ehrlich: Wer nicht?
Aber dann gibt es noch die anderen Filme: Die, die man in sich aufgesaugt hat. Die man tief in seiner inneren Filmschublade ablegte und irgendwie eine beständige Verknüpfung im Kopf aufweist. Das können Schauspieler, Komparsen, Regisseure, Komponisten sein ... eigentlich recht egal. Mein IT Kumpel Jörg aus NRW sagte mal verblüfft, nachdem er von mir ein paar Filmfacts aufgrund vager Handlungsbeschreibung bekam, man könne mit mir auch ein IMDb starten. „Mr. IMDb“ hängt mir heute noch etwas nach ... so wie der Name „Herr Kabel“, aber das ginge hier jetzt arg zu weit. Bleiben wir in Hollywood ...
„Die Indianer von Cleveland“ (Originaltitel: Major League, 1989) ist eine Sportkomödie: Die reiche Witwe des Besitzers des Baseball-Teams Cleveland Indians möchte den Verein absichtlich so schlecht wie möglich machen, damit die Mannschaft nach Miami umziehen kann. Dafür stellt sie ein zusammengewürfeltes Team von abgehalfterten Spielern, Rookies ohne Erfahrung und exzentrischen Charakteren zusammen – alle mit dem Ziel, dass sie scheitern.
Doch wider Erwarten wächst die Chaos-Truppe zusammen: Mit Spielern wie dem großmäuligen Rookie-Pitcher Ricky „Wild Thing“ Vaughn (Charlie Sheen), dem abergläubischen Powerhitter Pedro Cerrano (Dennis Haysbert) und dem alternden Catcher Jake Taylor (Tom Berenger) entwickelt sich das Team von Lachnummern zu echten Kämpfern. Am Ende liefern sie eine überraschend erfolgreiche Saison – und zeigen ihrer skrupellosen Besitzerin, dass Herz und Teamgeist mehr zählen als Kalkül.
👉 Kurz: Ein Kult-Sportfilm der 80er, der Underdog-Story, Comedy und Baseball-Romantik kombiniert.
Scheiße, ja, Ende der 80er ... der lief hier gerade im Jahre 2025 auf meinem Flachbild-TV im Wohnzimmer. Mein inneres Kind grinste breit beim Stream auf Netflix, griff nach dem Popcorn und ... bewarf mich dann damit. Denn aus vorlauten Sprüchen, Macho-Gehabe und Witzen, die heute zu gern polarisieren (es sind bekloppte Zeiten!), ist ziemlich alles neu aufgenommen worden.
Ja, liebe Freunde des Films, hier wurde die Tonspur angefasst. Ein paar Beispiele? Gern!
Original: Cerrano flucht über seinen Schläger nach dem zweiten Strike beim Curveball und sagt Jobu (Vodoo-Puppe), er solle sich sonst wo hin verpissen, wenn er weiterhin nicht treffen will.
Neu: "Dann helfe ich mir selbst."
Original: NY Yankees Spieler fragt „Wo soll es denn hingehen, schwarze Perle?“ „Einmal ums Karét, Milchbrötchen!“
Neu: ... anders!
Original: Wesley Snipes schafft seinen Lauf ums Karét, tanzt und sagt „ich glaub' ich krieg'n Afrikanischen“.
Neu: ... nichts mehr!
Und so weiter! Kein Witz. Oder mit anderen Worten: Die Tonspur ist mindestens anders bis nagelneu. Für einen Film von 1989.
Meine Neugier war geweckt. Wie kann man denn der heutigen Streaming-Generation erklären, dass ein Film wie dieser solche Bewertungen und einen Kult-Faktor hat, wenn die Pointen, Sticheleien und Slangs der damaligen Zeit in eine neues Gewand gepresst wurden? Fühle ich da etwa politisches Kalkül, entfernen wir jetzt auch noch kirchliche Kreuze oder die Twin-Towers aus Filmen vor einem gewissen 9/11-Event? Was passiert da gerade???
Schauen wir mal hinter den Vorhang: Netflix erwirbt oft nur die Rechte am Originalfilm, nicht jedoch an bereits bestehenden deutschen Tonspuren. Die alten Synchronfassungen gehören häufig externen Studios oder TV-Sendern — diese Lizenzen müsste Netflix separat kaufen, was oft komplex oder zu teuer ist. Oft ist es effizienter und preiswerter, eine neue Synchronisation in Auftrag zu geben, statt alte Fassungen lizenzrechtlich aufzuarbeiten. Gerade bei älteren Filmen mit teils unklaren Rechten kann das eine pragmatische Lösung sein — auch wenn Fans (wie ich) das Gefühl haben, dass Qualität oder Authentizität leiden. Netflix verfolgt klare Vorgaben bei der Synchronisation: Umgangssprache, Tonalität und, zu einem gewissen Grad, die inhaltliche Treue zur Originalfassung sind oberste Priorität. Gleichzeitig wird auf inklusive Sprache und angemessene Lokalisierung geachtet.
Hier könnte also der Faktor „inklusivere Sprache“ oder das Entfernen potenziell problematischer Begriffe eine Rolle gespielt haben — wie meine Beobachtungen zur gestrichenen Passage „schwarze Perle“. Aber: Die „neue Fassung“ wirkt deutlich flacher und generischer. Der Kult ist weg. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass andere Film-Fans genau so reagieren, wenn alte Filme plötzlich anders klingen, Pointen fehlen oder ganze Passagen gestrichen sind. Das wirkt wie ein Eingriff in etwas, das man nostalgisch abgespeichert hat, oder? Es ist also keine Verschwörung, sondern eine Mischung aus Rechtelage, Sparmaßnahmen und Vorsicht bei Sprache, die heute als heikel gilt.
Ein Film ist ein Zeitzeugnis, und gerade Dialoge, Wortwahl, Slang, auch stereotype Witze, gehören untrennbar zur kulturellen und historischen Einordnung. Wenn man das im Nachhinein „anpasst“, passiert genau das: Geschichte wird gefiltert oder geglättet, und der Kontext, wie Menschen damals gedacht und gesprochen haben, geht verloren. Die Indianer von Cleveland ist nicht nur Komödie, sondern auch Spiegel der späten 1980er Jahre: Baseball-Kultur, Popkultur, Umgang mit Rasse und Stereotypen. Wenn Netflix den Dialog verändert, verlieren wir ein Stück dieses gesellschaftlichen Kontextes, und für nachfolgende Generationen verschiebt sich das Bild der 1980er. Kultsprache, Running Gags, unsinnige Dialoge – genau das macht Fans emotional. Passagen wie „Schwarze Perle“ oder „ich krieg’ nen Afrikanischen“ sind nicht zufällig Kult. Sie erzählen auch etwas über Humor und Grenzen der damaligen Zeit.
Netflix, Disney+ oder Amazon haben die Macht, klassische Fassungen zu „modernisieren“. Historische Authentizität wird dabei oft hinter „politischer Korrektheit“ oder Lizenzfragen zurückgestellt. Fans möchten das Original hören, so wie sie es kennen – auch mit allen „problematischen“ oder peinlichen Stellen. Anbieter argumentieren oft mit Zugänglichkeit oder Aktualisierung. Für die Filmgeschichte ist das aber irrelevant: Historisch ist alles, was verändert wird, nicht mehr originalgetreu.
Kurz gesagt: Es darf nie heikel sein, weil die Sprache eines Films ein Teil seines historischen Kontextes ist. Wenn man das nachträglich „bereinigt“, beraubt man den Film seiner Authentizität – und das ist echter Verlust.
Filme, Dokus, Dokumentationen zeigen den Geist einer Epoche, auch inklusive unschöner oder unzeitgemäßer Aspekte. Anpassungen nach heutigen Maßstäben machen sie zu etwas Neuem, das nicht mehr die damalige Realität widerspiegelt – und genau darum ärgern sich Fans, wenn Streaming-Anbieter Klassiker „glätten“: Es betrifft den Kern dessen, was den Film oder das Werk überhaupt ausmacht.
Mit den heutigen Texten versteht niemand mehr, warum der Film ein Rating hat wie er eben sein Rating „verdient“ hat. Im Film „The Hateful 8“ (oh je!) wird so oft ein gewisses N-Wort gesagt wie in keinem anderen Film, den ich je gesehen habe. Tarantino nutzt das Wort mehrfach als historisch-zeitgenössisches Element, um Rassismus, Spannungen und die Härte der Charaktere zu zeigen. Entnehme ich allein diesen Begriff aus dem FSK 18-Titel (Deutschland), versteht man nicht mehr, warum bestimmte Figuren so brutal, rücksichtslos oder rassistisch agieren, weil die Sprache die Wirkung trägt.
Kurz gesagt: Wenn man Dialoge glättet, verändert man nicht nur den Text – man verändert die Wirkung, die Rating-Bewertung und die historische Einordnung. Bestimmte Sprüche, Witze oder Begriffe zeigen die Geisteshaltung der Zeit. Werden sie modernisiert, versteht man nicht mehr, warum damals bestimmte Szenen als witzig, provokant oder kontrovers galten. Für Fans, die den Originalton (bzw. die Original-Synchro) im Ohr haben, ist es extrem frustrierend, wenn genau diese Stellen fehlen, die Kultstatus hatten.
Es geht nicht um das Drehbuch, sondern um die Entscheidung des Streaminganbieters, wie die Figuren heute klingen sollen – mit dem Effekt, dass Filmgeschichte und Humor verfälscht werden.
Und als das Licht im Wohnzimmer anging und der Abspann lief, warf mein inneres Kind das restliche Popcorn frustriert in Richtung TV Gerät. Kommentar-, aber zu guter Letzt nicht ganz wortlos.
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